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Kulturwissenschaftliche Fakultät – Fachgruppe Geschichte

Wirtschafts- und Sozialgeschichte – Prof. Dr. Jan-Otmar Hesse & Prof. Dr. Sebastian Teupe

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​Volkswagen Foundation - European Challenges Grant

Der Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird im nächsten Jahr zum Zentrum einer von der Volkswagenstiftung geförderten internationalen Forschungskooperation. Von April 2022 bis März 2026 nimmt der Lehrstuhl federführend an dem Projekt "Historical Tensions between International Business and National Taxation: A Challenge for Europe today" teil, das im Rahmen des "European Challenges"-Programms der Volkswagenstiftung durchgeführt wird. Im Rahmen dieses Projektes kooperiert Prof. Dr. Jan-Otmar Hesse mit drei international renommierten Wissenschaftlern an forschungsstarken europäischen Universitäten: Prof. Antonie Doležalová (Charles University Prag/Tschechische Republik); Prof. Neil Forbes (Coventry University in Coventry/UK); Prof. Ben Wubs (Erasmus Universität Rotterdam/Niederlande).

Eine der wichtigsten Herausforderungen für europäische Staaten - insbesondere nach der COVID-19-Pandemie - ist die Sicherung ausreichender Steuereinnahmen unter den Bedingungen eines freien Kapitalverkehrs. Insbesondere die Besteuerung von multinationalen Unternehmen stellt die europäische Staatengemeinschaft vor erhebliche Probleme. Die Europäische Union ist sich dieses Problems bewusst und hat kürzlich neue Institutionen zur Überwachung des Steuerverhaltens multinationaler Unternehmen eingerichtet. Doch sowohl Politikern als auch Wissenschaftlern fehlen die notwendigen Daten, was der Hauptgrund für den Mangel an Forschung zu diesem Thema ist. Eine quantitative Analyse des Problemkomplexes fällt schwer, wenn die Daten per definitionem unklar sind. Da ein europäischer Austausch von Informationen zur Besteuerung von MNEs erst 2016 begann (bei Banken 2014), wissen wir wenig über die historische Entwicklung der Steuerstrategien und des Steuermanagements multinationaler Unternehmen. In Ermangelung zuverlässiger Daten kann nur die historische Forschung diese Lücke füllen. Schließlich ist das Spannungsverhältnis zwischen nationaler Besteuerung und internationaler Geschäftstätigkeit kein neues Phänomen. Es ist auch nicht aus der Organisationsstruktur der EU entstanden, sondern hat die europäische Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte seit dem 19. Jahrhundert mitgeprägt. Als Unternehmens- und Wirtschaftshistoriker ist es unser Ziel, die historische Dynamik des Interessenkonflikts zwischen Nationalstaaten und multinationalen Unternehmen in ihrer ganzen Komplexität zu analysieren. Anstatt das Problem der Unternehmensbesteuerung und der Steuervermeidung auf der Makroebene staatlicher Statistiken und Finanzen zu untersuchen, setzen witr auf eine systematisch vergleichende Analyse von Fallstudien.

Die internationale Zusammensetzung des Teams ermöglicht es uns, die Geschichte der Besteuerung multinationaler Unternehmen (MNE) in Europa auf der Grundlage historischer Forschungen an vier Fallstudien untersuchen: ARBED; BP; Skoda und Unilever. Alle vier Konzerne betreiben Produktionsstätten in mehr als einem Land. Sie alle haben besonders enge Beziehungen zu den Regierungen in ihrem Heimatland, wegen gemeinsamer sozialer Netzwerke, aber auch wegen ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Macht. In allen Fällen sind die Unternehmensarchive zugänglich und die Staatsarchive verfügen über zusätzliches zugängliches Quellenmaterial. Unsere Forschungsstrategie umfasst Archivforschung, Oral History und die vergleichende Analyse der Beziehungen zwischen dem ausgewählten multinationalen Unternehmen und den Staaten, wobei fünf große exogene Brüche als Vergleichsachse dienen: Erster Weltkrieg, Große Depression der 1930er Jahre, Zweiter Weltkrieg, Errichtung des Eisernen Vorhangs und sein Fall. Politische Brüche sind Zeiten der Neujustierung von Steuerverwaltungsregimen und dienen damit als hervorragende historische Experimente, um in allen Fällen nach gemeinsamen Transformationen zu suchen.

Das Projekt wird politischen Entscheidungsträgern einen einzigartigen Einblick in die langfristige Geschichte von Konflikten und Kooperationen zwischen multinationalen Unternehmen und Nationalstaaten im Kontext der Unternehmensbesteuerung geben. Es wird die Komplexität der vielschichtigen Interaktion zwischen Staaten und multinationalen Unternehmen und die lange historische Pfadabhängigkeit von multinationalen Unternehmen und ihrem globalen Netzwerk von Spezialisten hervorheben. Die politischen Entscheidungsträger werden unter Beachtung spezifischer historischer Kontexte über die Wirksamkeit verschiedener politischer Maßnahmen informiert, die darauf abzielten, den Interessenkonflikt zu entschärfen. Wir sind davon überzeugt, dass die langfristige Entwicklung dieser institutionellen Interaktionsstrukturen für den anhaltenden Erfolg der Steuerstrategien multinationaler Unternehmen verantwortlich ist und dass der historische Hintergrund dieser "European Challenge" verstanden werden muss, wenn politische Maßnahmen erfolgreich sein sollen.

Weitere Informationen in der Volkswagen Datenbank finden Sie auch hier


Verantwortlich für die Redaktion: Abdulrahman Oluseyi Tiamiyu

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