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Kulturwissenschaftliche Fakultät – Fachgruppe Geschichte

Wirtschafts- und Sozialgeschichte – Prof. Dr. Jan-Otmar Hesse & Prof. Dr. Sebastian Teupe

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DFG-Forschungsprojekt: Die Verwandlung des Geldes (Teupe)

Die Verwandlung des Geldes. Eine transatlantische Geschichte der "Geldillusion" in der Ära des Goldstandards, 1870er-1920er

Obwohl die Ära des Goldstandards als eine Phase der Stabilität und der wirtschaftlichen Prosperität stilisiert worden ist, so war sie auch eine Zeit großer monetärer Schwankungen. Jahre der Preissteigerungen (Inflation) und des Preisverfalls (Deflation) wechselten einander ab. Mit Blick auf die Akteure, die ihre alltäglichen ökonomischen Entscheidungen und Erwartungshaltungen an diese Schwankungen anpassen mussten, ist die Ära des Goldstandards bisher kaum untersucht worden. Mein Forschungsprojekt möchte die "lange Ära" des Goldstandards zwischen den 1860er und den frühen 1930er Jahren aus einer mikrohistorischen und vergleichenden Perspektive in den Blick nehmen. Es will diejenigen Akteure in das Zentrum der Untersuchung rücken, deren ökonomische Schicksale an die stetigen Geldwertveränderungen geknüpft waren. Als Leitgedanke und heuristisches Mittel soll das Konzept der "Geldillusion" die Arbeit tragen und strukturieren. Das Konzept der "Geldillusion" geht auf den amerikanischen Ökonomen Irving Fisher (1867-1947) zurück. Fisher vertrat die Meinung, dass es den Menschen nicht möglich sei, die nominalen Werte gesetzlicher Zahlungsmittel zu den dahinter stehenden "realen" Werten wie Nahrungsmitteln oder Wohnungsmieten in einen Bezug zu setzen. Sie würden davon ausgehen, dass die Geldeinheit sich immer gleich bleibe, so dass sie als stabiler Wertmaßstab für andere Dinge dienen könne und selbst nicht gemessen zu werden brauche.

Die Fragestellung des Projekts lautet, welche Vorstellungen des Geldwerts und seiner Stabilität die verschiedenen Akteure in England, Deutschland und den USA zur Grundlage ihrer ökonomischen Entscheidungen gemacht haben und inwieweit sich diese Vorstellungen in den einzelnen Ländern unterschieden und wandelten. Diese Fragen verweisen auf grundlegende Entscheidungsprobleme ökonomischer Akteure. Ihr Wohlbefinden hing nie in erster Linie davon ab, welche realen Einkommensgewinne sie erzielten. Es kam stets darauf an, wie sie ihre wirtschaftliche Situation selbst interpretierten. Die konkreten Lösungsversuche der wahrgenommenen Probleme waren für die Funktionsweise von Wirtschaft und Gesellschaft auch langfristig betrachtet entscheidend, da sie die industriellen Beziehungen und institutionellen Grundlagen insgesamt prägten. Indem das Projekt von den Wahrnehmungshorizonten und den Interpretationsmöglichkeiten der zeitgenössischen Akteure ausgeht, lassen sich die Konjunkturphänomene und der Wandel politischer und gesellschaftlicher Systeme zwischen den 1860er und 1930er Jahren aus einer mikrohistorisch fundierten Perspektive neu bewerten.



Verantwortlich für die Redaktion: Sevgi Feride Tunay

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