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Kulturwissenschaftliche Fakultät – Fachgruppe Geschichte

Wirtschafts- und Sozialgeschichte – Prof. Dr. Jan-Otmar Hesse

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Forschung

Die Forschung am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte konzentriert sich auf die nachindustrielle Zeit. Unser Ziel ist es, die nationalen Perspektiven in diesem Fachgebiet zu erweitern und zu einer globaleren Interpretation wirtschaftlicher Transformation zu gelangen. Unser Forschungsinteresse geht von globalen wirtschaftlichen Verflechtungen und Vergleichen aus, die wir bis hin zur Handelspolitik, Währungs- und Geldpolitik, Preisgeschichte und Inflation, internationalem Wettbewerb und Unternehmensgeschichte zurückverfolgen. Wir arbeiten mit Archivmaterialien, die wir mit quantitativer und formaler Wirtschaftsgeschichte zu verknüpfen versuchen. Der Lehrstuhl interessiert sich insbesondere für die Entwicklung wirtschaftlicher Institutionen, das wirtschaftliche Verhalten im internationalen Vergleich sowie wirtschaftliche Ideen, die das Handeln von Akteuren geprägt haben. Die folgenden Forschungsprojekte befinden sich derzeit in Bearbeitung (frühere Forschungsprojekte finden Sie im Menü auf der linken Seite):

Deutschlands Außenhandel. Aufbau einer Datenbank im SITC-Standard ("GerTrade") (Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2024-2027)

Heute zählt Deutschland zu den international am stärksten verflochtenen Volkswirtschaften der Welt. Diese intensive Integration in die Weltwirtschaft hat sich historisch entwickelt – von der „ersten Welle der Globalisierung“ vor dem Ersten Weltkrieg über die protektionistische Zwischenkriegszeit bis hin zur „Hyperglobalisierung“ der letzten Jahrzehnte. Der genaue Verlauf dieser Verflechtung – etwa welche Branchen dabei als treibende Kräfte wirkten – ist jedoch bislang nur unzureichend erforscht. Im Rahmen eines langfristig angelegten Projekts sollen daher erstmals die verfügbaren historischen Handelsdaten für den Zeitraum von 1880 bis zur Gegenwart nach dem international etablierten System der Standard International Trade Classification (SITC) der Vereinten Nationen systematisch aufbereitet werden. Die so gewonnenen Daten werden über GENESIS, die Plattform des Statistischen Bundesamtes, in einer öffentlich zugänglichen Datenbank für die internationale Forschung bereitgestellt und langfristig gesichert. Hierfür müssen zunächst die vorhandenen Handelsstatistiken digitalisiert, die Warenströme neu klassifiziert sowie Handelsvolumina und -werte für das deutsche Staatsgebiet zusammengestellt werden. Im Zuge dessen werden die amtlichen Daten auf Basis des aktuellen Forschungsstandes kritisch überprüft und jede einzelne Kennzahl nach den FAIR-Prinzipien nachvollziehbar dokumentiert.

Historical Tensions between International Business and National Taxation (Gefördert von der VolkswagenStiftung, 2022 - 2026)

12 Billionen US-Dollar an unversteuertem Vermögen – das entspricht etwa 10 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts – wurden im Jahr 2022 in Steueroasen gehalten. Ein Großteil dieses Vermögens stammt aus Unternehmensgewinnen. Nationalstaaten, die bemüht sind, diesen Verlust öffentlicher Einnahmen zu bekämpfen und eine Rückführung von Gewinnen („Re-Patronisierung“) zu fördern, haben strenge Maßnahmen vereinbart – etwa Mindestbesteuerung und den automatischen Austausch von Bankinformationen. Insgesamt zeigen diese Initiativen jedoch bislang nur geringe Wirkung. Ein Grund für diese Widerstandsfähigkeit liegt in den tiefen historischen Wurzeln des Systems.

Unser internationales, kooperatives Forschungsprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, das System des unternehmerischen Steuermanagements bis ins späte 19. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Wir führen Fallstudien zu drei prominenten multinationalen Unternehmen durch: Anglo-Persian Oil Corporation (später British Petrol, BP), Aciéries Réunies de Burbach-Eich-Dudelange (ARBED) und Unilever. In unseren Archivstudien machen wir das Wissen von Unternehmenssteuerexperten sichtbar und verstehen die Prinzipien sowie die Strategien der Unternehmensbesteuerung auf einer sehr grundlegenden Ebene. Viele der Probleme, mit denen Politikerinnen und Politiker heute konfrontiert sind, haben in Wahrheit eine lange Vorgeschichte. Gewinnverlagerung und Verrechnungspreise waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg bedeutende Steuervermeidungsstrategien. Die Initiativen des Völkerbunds gegen Doppelbesteuerung erwiesen sich als ebenso wirkungslos wie viele der heutigen politischen Maßnahmen. Mit unserem vertieften Verständnis der strukturellen Probleme im Bereich der Unternehmensbesteuerung hoffen wir, aktuelle politische Prozesse durch fundierte Erkenntnisse unterstützen und zur Verbesserung bestehender Instrumente beitragen zu können.


Verantwortlich für die Redaktion: Prof. Dr. Jan-Otmar Hesse

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